Wie Sie störende Geräusche sinnvoll zur Entspannung nutzen können

An einem Freitag im Mai befand ich mich gemeinsam mit 12 Teilnehmern in einem Seminar- und Wohlfühlhotel in Bayern. Um 14.30 Uhr machten wir uns auf den Weg, vom Seminarraum über das schöne Wiesengelände hinüber zu einem schattigen Platz neben einer Eiche. Die Teilnehmer legten ihre Yogamatten aus und machten es sich am Boden bequem. Eine Meditationsübung war angesagt. Als ich die Aufmerksamkeit der Teilnehmer mit sanften Worten nach Innen, hinter die geschlossenen Augen lenkte, vernahm ich schon das durchdringende Geräusch eines Rasenmähers.

Mein erster Gedanke war nun, die Übung abzubrechen und mit meiner Gruppe wieder in den Seminarraum zurück zu kehren, wo es zwar ruhiger, aber aufgrund des sonnigen Wetters, viel zu warm gewesen ist.

„Vertrauen Sie das Gewicht ihres Körpers nun mehr und mehr der Unterlage an und beginnen Sie damit, den Fluss ihres Atems zu beobachten!“ sagte ich. Der Rasenmäher kam näher und die Geräusche wurden lauter. Nun überlegte ich noch einmal, ob ich weitermachen sollte oder ob ich die Übung an dieser Stelle noch abbrechen konnte. Tatsächlich wusste ich ja nicht, wie es meinen Teilnehmern im Moment erging. Alle hatten die Augen geschlossen und lagen ruhig und mit ausgestreckten Armen und Beinen am Boden.

Mittlerweile hatte ich ganz nebenbei das Gelände, auf dem gemäht wurde, etwas genauer beobachtet und ich konnte mir ausrechnen, dass das Mähen sicherlich noch ungefähr 15 Minuten dauern würde. Der Mann auf dem Rasenmäher hatte uns bereits gesehen und er konnte sich bestimmt denken, dass wir hier eine Entspannungsübung machen. Ich dachte mir auch, dass er doch einfach eine Pause machen könnte, um uns bei dieser Übung nicht zu stören. Aber nein, es schien fast so, als dass er noch einen Gang zulegte. Mein Wunschdenken hatte also keinerlei Einfluss auf den Mann am Gaspedal. Ich entschied mich nun, die Übung einfach fortzusetzen.

In diesem Augenblick erinnerte ich mich an ein Seminar, das ich vor vielen Jahren einmal im Schwarzwald gehalten hatte. Während ich auch dort eine Entspannungsübung sprach, hörten wir immer wieder den Lärm von Düsenjägern, die am Hotel vorüber donnerten. Zur damaligen Zeit hatte ich mich gerade intensiv mit Hypnose und NLP beschäftigt und ich wusste dass es möglich ist, auch solche Geräusche zur Vertiefung von Entspannungszuständen zu verwenden.

Durch diese Idee hatte ich nun plötzlich Freude an der besonderen Situation hier auf der Wiese gewonnen. Ich wollte ausprobieren, ob es möglich ist, die Teilnehmer trotz des Lärms, oder eben gerade durch diesen Lärm, mit meinen Worten in eine wohltuende Ruhe hinein begleiten zu können. Ich nahm auch in Kauf, dass es einigen Teilnehmern nicht gelingt, wirklich loszulassen und zu entspannen. Aber ich wollte es riskieren.

Mein Text lautete dann ungefähr so:
„Während der Wind ihren Körper berührt, können Sie sich mehr und mehr der Unterlage anvertrauen. Es gelingt Ihnen ganz leicht, auch mit dem Geräusch des Rasenmähers Freundschaft zu schließen. Jedes Mal, wenn Sie die Motorgeräusche bewusst wahrnehmen, sinken Sie noch tiefer in einen angenehmen Zustand der Ruhe und Gelöstheit. Lassen Sie sich dort hin begleiten, wo sich im Einklang mit allem was ist, eine angenehme Ruhe tief in Ihrem Innern ausbreitet.“ …

In den folgenden Minuten führte ich meine Teilnehmer noch in weitere, innere Wohlfühlräume und ließ sie dabei auch ihre aktuelle Lebenssituation betrachten und mögliche Veränderungs- und Heilungsprozesse visualisieren. So reinigten wir z.B. in Gedanken unsere Sinnesorgane und das gesamtes Gehirn und Nervensystem.

Als ich die Teilnehmer nach ca. 20 Minuten dann wieder in den Wachzustand begleitete, war ich erstaunt, wie tief sie tatsächlich entspannen konnten. Die einen hatten das Motorgeräusch zwar noch wahrgenommen, aber es hat sie nicht mehr gestört. Andere hatten total vergessen, dass da überhaupt ein Rasenmäher war. Zwei Teilnehmer waren eingeschlafen (oder befanden sich in tiefer Trance) und hatten keine Erinnerung mehr an das, was während der Übung geschah.

Die folgende Aussage eines Teilnehmers hat mich absolut darin bestätigt, die Übung nicht abzubrechen, sondern das Geräusch zu integrieren. Dass der Rasenmäher während dieser Phantasiereise aber sogar zum Coach wurde, hat mich selbst überrascht:

„Der Rasenmäher ist nun mein Freund geworden. Jetzt weiß ich, wie ich auf jeden Fall mental besser mit solchen oder ähnlichen Situationen umgehen kann.“

Auch Ihnen wünsche ich die Fähigkeit, Störgeräusche, die Ihnen im Alltag begegnen entweder zu eliminieren oder sie so zu integrieren, dass sie Ihnen im Idealfall sogar nützlich sind.

Gutes Gelingen in allen Dingen

Thomas Drach

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